Armut Afrikas - Was wissen wir?

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Wie angekündigt fange ich nun mit einer Reihe von Einträgen an, in denen ich mich zum Teil kritisch mit entwicklungspolitischen Phänomenen Afrikas beschäftigen werde. Ich denke, das könnte für viele ganz interessant sein, weil ich mit Sicherheit Ansichten vermittele, zu denen Europäer oft keinen Zugang haben

Vorab: Mit „Afrika" meine ich dabei Subsahara-Afrika.

 

 

 

 

Wichtig:

Ich bin weder Sozialökonom, noch Entwicklungshelfer, sondern ein einfacher junger Mann, der den Menschen zuhört, kritisch denkt, den Mut hat, dies auch zu äußern und sich im Laufe der Zeit für das Thema der Armut und Entwicklungshilfe zu interessieren begann.

Ich gebe also das Wissen, was mir hier angeeignet wurde, lediglich wieder.

 

Wie wird ein Land als "arm" definiert?

 

Momentan sind, laut „Weltbank", jegliche Menschen als arm zu bezeichnen, die unter einem Tageslohn von rund 1,25 US-Dollar liegen. In Malawi liegt der Tageslohn bei gut einem US-Dollar, in finanzieller Hinsicht gehört es damit zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human-Development-Index, der neben den Finanzen noch andere Parameter wie Gesundheitsstatus, Bildungssystem etc. berücksichtigt, liegt Malawi auf Platz 170 von 188.

Man kann sich das wie einen Kuchen vorstellen:

- Es gibt 6/6.

- 1/6 dieser Gesellschaft, unter anderem Deutschland, gehört zu den reichen Ländern dieser Welt

- 4/6, unter anderem China oder viele Länder Südamerikas, gehören zu den Ländern, die sich allmählich im Aufschwung befinden

- Das letzte Sechstel, das sind die ärmsten Länder der Welt, ich nenne sie mal Entwicklungsländer, viele afrikanische Staaten gehören dazu

Die Wahrscheinlichkeit, im unteren Sechstel geboren zu sein, ist demnach genauso hoch wie die, im oberen geboren zu sein. Wir sollten unser Privileg daher zu Schätzen wissen. 

 

Wieso ist ein Land arm?

Schlechte Marktwirtschaft, inkompetente politische Führungskräfte, schlechte administrative Fähigkeiten, infrastrukturelle Probleme, Menschenrechtsverletzungen, ungünstige geographische Lage – das sind nur einige sehr grobe Faktoren, aber alle treffen mehr oder weniger auf Malawi zu.

Die meisten Informationen habe ich aus Fachliteratur und vor allem von Malawiern, mit denen ich mich intensiv über dieses Thema unterhalten habe.

1. Geographische Lage und geringes wirtschaftliches Wachstum

Malawi ist klein, hat keine riesigen Rohstoffvorräte und ist ein Binnenstaat. Zugriff zum Meer hat es nur über Mosambik und Tansania, wobei Mosambik und Malawi seit einiger Zeit in einem stillen Konflikt liegen. Der Zugriff zum Meer ist dabei der Zugang zum Weltmarkt.

Malawi hat Exportgüter, aber meistens nur Primärprodukte wie Tabak und Tee und einen schlechten Zugang zum Weltmarkt. Von diesen Primärprodukten muss sich gelöst werden, damit lokale Produzenten die Möglichkeit haben, zu wachsen – und mehr Arbeitsstellen zu schaffen. 

Als Beispiel: Tabak nicht direkt exportieren, sondern als verarbeitetes Produkt exportieren.

Dazu kommt noch die Infrastruktur, die Malawi aber innerhalb der letzten Jahre deutlich verbessert hat. Ohne eine gute Infrastruktur bringen einem Land auch die wertvollsten Güter nichts. Während meiner ersten Momente in Malawi war einer meiner Gedanken, wie gut doch die Straßen im Vergleich zum Rest des Landes sind.

 

Moment mal: die Schweiz ist doch auch ein Binnenstaat?

Ja – aber die Schweiz hat wirtschaftlich stabile Nebenländer, anders Malawi. Nebenbei erwähnt sind die meisten armen Länder Afrikas Binnenstaaten, leider konzentriert sich auf genau diese die größte Menschenmenge.

 

2. Korruption

Im Welt-Korruptions-Index liegt Malawi im Bereich des 120. Platzes, wobei Platz 1. das Land mit der geringsten Korruption ist (Deutschland liegt auf Platz 12.), was eigentlich gar nicht sooo schlecht ist. Korruption setzt eine Kettenreaktion in Gang: Eine korrupte Regierung wird alles daran setzen, im Amt zu bleiben und blockiert daher die Schaffung eines fairen Rechtsstaats und die Etablierung transparenter Institutionen. Ein korrupter Staat macht sich wiederum unattraktiv für Anleger und Investoren, welche die Marktwirtschaft ankurbeln könnten.

Kaum ein Behördengang läuft ohne zusätzliches Schmiergeld, und wenn, dann dauert es Monate. In Malawi ist es dabei nicht ganz so schlimm wie in anderen afrikanischen Ländern, was auch der Rang im Korruptions-Index belegt. Dennoch: Wenn man das ganze ohne Bestechung macht, dauert es oft Monate, um eine nötige Erlaubnis, zum Beispiel den Bau einer Schule, zu bekommen.

 

3. Arbeitslosigkeit

Wer schon mal in Malawi (oder in anderen Entwicklungsländern) war, dem wird auffallen, wie viele junge Menschen tatenlos am Straßenrand, auf Märkten oder an Bars herumsitzen, viele werden dann durch ihr Frust-Trinken zu unterbezahlten Tagelöhnern, die Gegenstände oder Müll von A nach B schaffen. Grund dafür ist die hohe Arbeitslosigkeitsrate.

Einige Regierungen beschäftigen sich leider nur geringfügig mit der Etablierung von Arbeitsstellen, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, sich selberzu feiern. Entwicklungsländer zeichnen sich durch das Fehlen einer stabilen Mittelschicht aus, es muss ein bescheidener Wohlstand geschaffen werden, wie er sich z.B. in Deutschland finden lässt. Entweder man ist arm – oder wohlhabend, es gibt in Malawi nur eine kleine Mittelschicht, meine Gastfamilie beispielsweise gehört dazu.

 

Eine stabile Mittelschicht könnte Steuern zahlen, was eine relativ zuverlässige Einkommensquelle für den Staat wäre, damit dieser nicht mehr allzu abhängig von unserer Entwicklungshilfe ist. Aber zu Lösungsvorschlägen komme ich in einem anderen Teil. Das Potenzial für gute Arbeitskräfte ist da, und so auch der Wille. Nach Beendigung der Schullaufbahn sind die meisten malawischen Jugendliche arbeitswillig, nur fehlt das Arbeitsangebot. Es fehlt an Institutionen und Ausbildungsstellen, ja gar an Betrieben generell. 

 

4. „Brain-Drain"

Der Faktor "Arbeitslosigkeit" lässt sich mit dem Phänomen des „Brain-Drains" ergänzen. Fakt ist, dass momentan in England mehr ghanische Ärzte beschäftigt sind, als in Nigeria selbst. In Malawi ist es nicht ganz so schlimm, jedoch verlässt der Großteil der ausgebildeten Medizinkräfte das Land nach Abschluss der Ausbildung. Die Globalisierung öffnete internationaler Migration Tür und Tor und besonders die Staaten Afrikas sind davon betroffen. In Afrika gibt es für die intellektuelle Elite, also Bürger, die den Staat reformieren könnten, keine Perspektiven, weshalb sie aus den Ländern flüchten. Da die gebildeten Bürger dem Land den Rücken kehren, bleibt für die Posten, die qualifiziertes gebildetes Personal voraussetzen, nur noch Platz für die ungebildete Schicht.

Dieser Effekt wird "Brain-Drain" genannt.

Viele leistungswillige und leistungsfähige Afrikaner würden gerne ihre Arbeitskraft und ihre Ideen in den eigenen Staat investieren, aber bei der momentanen Verfassung sehen gerade junge Menschen keine Zukunft in ihrem Land. Migranten afrikanischen Ursprungs sind - anders als medial oft dargestellt - alles andere als Teil einer armen, ungebildeten Schicht. Um nach Europa zu kommen, benötigt man finanzielle Ressourcen, über die jene ungebildete und unterfinanzierte Menschen gar nicht verfügen. 

 

5. "Mehr Waffen als Wasserhähne"

Wasserverschmutzung ist für den Großteil aller Krankheiten in Entwicklungsländern verantwortlich. Außerhalb von Ballungszentren ist kaum eine stabile Wasserversorgung vorhanden, die diesen Namen überhaupt verdient. Meist wird das Trinkwasser irgendwelchen Tümpeln, Flüssen oder dem Malawisee entnommen, die mit verschiedenen Krankheitserregern verunreinigt sind. Das oft über lange, gefährliche Fußwege in Eimern herangeschleppte Wasser stellt eine große Gefahr da, vor allem in Zentral- und Westafrika.

Selbst der Zugang zu Trinkwasser stellt sich somit als zeitintensiver Akt dar. Oft müssen Kinder deshalb der weiterführenden Schule fern bleiben. Innerhalb einiger afrikanischer Staaten wurden falsche Prioritäten gesetzt. Die Gewichtung von Waffen und militärischer Rüstung überwog die der Bereitstellung lebensnotwendiger Ressourcen für die Gesamtbevölkerung.

 

6. Gesundheitswesen

Wer es sich nicht leisten kann, sollte in Afrika besser nicht krank werden. Staatliche Kliniken sind oft in einem erbärmlichen Zustand, es fehlt an grundlegenden Gesundheitsversorgungen. Keine Hilfe ohne finanzielle Vorleistung, keine Krankenwagen, keine Nothilfestation, Mangel an medizinisch ausgebildeten Personal und fehlende Medikamente bei unsachgemäßer Lagerung - das ist Gesundheitswesen vieler afrikanischer Schwellenländer. Allerdings ist das Gesundheitswesen in vielen afrikanischen Staaten auf dem Vormarsch in bessere Bedingungen. So gibt beispielsweise die Gates-Stiftung jährlich rund 800 Millionen Dollar für die Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose aus und richtigerweise möchte die Stiftung die Forschungsinfrastruktur in Afrika unterstützen.

In Ekwendeni gibt es Krankenwagen und auch eine Nothilfestation – in ganz Malawi sind HIV-/AIDS-Medikamente in staatlichen und privaten Krankenhäusern kostenlos und auch die HIV-Prävalenz des einst weltweit führenden Landes konnte durch Aufklärungskampagnen auf ca. 11% (Stand 2016) gesenkt werden. Auch die Versorgung schwangerer Frauen und unterversorgter Kinder ist ohne finanzielle Belastung gewährleistet. In anderen werden gängige Erkrankungen hingegen nicht übernommen und auch Krankenversicherungen sind für die Breitenbevölkerung teils nicht finanzierbar.

 

7. Bildungswesen – "Kuscheln statt Lernen"

Malawi investiert in letzter Zeit unglaublich viel in das Bildungswesen, vor allem in Universitäten. Eine darauf folgende berufliche Zukunft gibt es leider noch zu wenig, siehe „Brain-Drain". Primary-Schools, also die erste Bildungsinstanz für Schüler/-innen in ihrer Schullaufbahn, sind dabei für alle kostenlos. Verschwiegen wird leider, dass diese in erbärmlichen Zuständen sind. Eine Klasse umfasst nicht selten 100 Schüler/-innen, es gibt keine Schulbänke und das Lehrpersonal ist oft nur kurzfristig ausgebildet worden. Für Schuluniform, Bücher und Stifte können ländliche Familien leider auch nur unzureichend sorgen und ohne Schuluniformen ist ein Unterrichtsbesuch nicht erlaubt - es folgt ein Ausschluss aus dem Bildungswesen.

In so einem Umfeld wird einem das Lernen erheblich erschwert, dabei ist Bildung die Grundlage für das restliche Leben, das sind nicht nur leere Klauseln der Eltern, sondern es ist die Wahrheit. Die kostenlosen staatlichen Secondary Schools unterliegen dabei strengen Aufnahmebedingungen. Wer diesen nicht gewachsen ist, muss auf private Schulen umsteigen, die teils erhebliche Gebüren verlangen. 

 

 

 

8. Landwirtschaft

Landwirte sind die Grundlage unserer Existenz. In Deutschland werden sie oft belächelt, in Entwicklungsländern sind sie das Fundament alles Lebens. Ca. 40% der malawischen Bevölkerung leben von der Subsistenzwirtschaft (Eigenversorgung), insgesamt sind ca. 60% der Bevölkerung im landwirtschaftlichem Sektor tätig. Dank unserer "Entwicklungshilfe" werden die Landwirte vernachlässigt, da europäische Länder subventionierte Lebensmittel nach Afrika schicken, die so günstig verkauft werden, dass die dortigen Landwirte marktwirtschaftlich nicht mithalten können. 

Würde der Staat sich von unserer Entwicklungshilfe lösen und sich auf die eigenen Landwirte fokussieren, könnte Malawi, bezüglich der Lebensmittelversorgung, unabhängig werden, ein wichtiger Schritt der Armutsbekämpfung. Viele Armutsländer könnten sich selber Ernähren, lediglich fehlt der politische Anreiz dazu. 

 

Fazit

Jedes Land hat prinzipiell unterschiedliche Mechanismen der Armutsentstehung. Allerdings gibt es starke Gemeinsamkeiten, die sich in Schwächen des Gesundheits- Bildungs- und Wirtschaftssystems einteilen lassen. Ehemalige Schwellenländer in Südost-Asien, wie China oder Indien, konnten der starken Armut durch richtige Priorisierung ein Stück weit entkommen, indem in die gerade genannten Systeme investiert wurde. Auch Afrika ist auf dem Vormarsch in eine bessere Zeit, auch wenn sich der Marsch als ein vergleichsweise Langsamer beschreiben lässt. Wieso viele afrikanische Staaten trotz vielseitiger europäischer Entwicklungsbestreben dennoch nur langsam vorran kommen, werde ich in meinem nächsten Beitrag darstellen.

 

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

 

 

Referenzen und Quellen:

Meredith, Martin (2011): The state of africa. A history of fifty years of indipendence.

Seitz, Volker (2014): Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann. Deutscher Tb Verlag

Hänny, Sophia (2013): Korruption in Afrika. Eine Untersuchung der kulturellen, ökonomischen und politischen Ursachen von Korruption in den Jahren 1960-95. 

https://en.actualitix.com/country/afri/africa-human-development-index.php

Wikipedia HD-Report

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https://de.toonpool.com/cartoons/Absatzkrise_179894#


Über mich

Hallo, ich bin Max Lachnicht!

Ich komme aus Gronau-Epe, nahe Münster in Westfalen und bin neunzehn Jahre alt.

Momentan mache ich mein Abitur am Canisiusstift in Ahaus und werde ab September im Rahmen des Kolpingwerk Deutschlands ein freiwilliges soziales Jahr in Malawi machen!

Wieso ich das mache?