Entwicklungshilfe - immer effektiv?

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Wenn es heißt, es wird für Afrika gespendet, stößt man in Deutschland eigentlich immer auf Interesse. Weniger Interesse besteht aber leider darin, was denn mit den Entwicklunsgütern schließlich geschieht. Ist Afrika einfach arm oder wird Afrika armregiert? Heute zeige ich euch einige negative Aspekte der Entwicklungshilfe, über die man in Deutschland leider nur unzureichend aufgeklärt wird. 

Wichtig: Ich spreche hier von der Entwicklungshilfe oft als Kollektiv, allerdings meine ich schwerpunktmäßig die der großen Nicht-Regierungs-Organisationen und die staatliche Entwicklungshilfe. Kleinere Vereine und NGO's sind damit nicht immer gemeint, da diese einen anderen Zugang zur Entwicklungshilfe haben.

In vielen Regierungskreisen denkt man immer noch, dass man Afrika mit der Entwicklungshilfe einen Gefallen tut. Tatsache ist jedoch, dass bis heute 2 Billionen Dollar nach Afrika geflossen sind, und nahezu keine Veränderung sichtbar ist. 

 

Wettlauf der Wohltäter

Entwicklungshilfe hat für Regierungen und viele Menschen im Norden immernoch den Charakter von Ablasshandel, bei dem es vor allem darauf ankommt, Altruismus, Mitleid und Großzügigkeit zu zeigen. Eine florierende Hilfsbranche gibt Geld, zeigt christliche Nächstenliebe und vermeidet damit, sich mit den wirklichen Ursachen der Misere auseinanderzusetzen. In der Vergangenheit hat sich leider gezeigt, dass Entwicklungshilfe, oder "Entwicklungszusammenarbeit", die den politisch aktuelleren Begriff darstellt, schwarze Eliten und weiße Helfer verbindet. 

Aber Entwicklungshilfe ist nicht gleich Entwicklungshilfe.

 

1. Katastrophenhilfe

Katastrophenhilfe liegt vor, wenn Katastrophen, wie z.B: Überflutungen, Erdbeben oder extreme Dürre einsetzen. Aber: Extreme Dürre findet nur halb so oft statt, wie es in Deutschland berichtet wird. Auch die Arbeit von medizinisch qualifiziertem Personal wie den "Ärzten ohne Grenzen" in Katastrophengebieten ist natürlich zu würdigen und in keinster Weise zu kritisieren. Jedoch hat sich bisher auch bei der Katastrophenhilfe in einigen Aspekten keine Transparenz zeigen können:

Wenn in einer bestimmten Region Afrikas Dürre herrscht, schreien korrupte Politiker reflexartig nach Hilfe. Dieser Ruf ereilt das Welternährungsprogramm der UNO und es werden tausende Tonnen Mais nach Afrika verschifft. Der Mais landet irgendwann beispielsweise im Hafen von Dar es Salam und ein Teil wandert oft direkt in die Hände von skrupellosen Politikern, die ihn an ihren eigenen Stamm weiterleiten (um indirekt Wahlkampf zu leisten), der andere Teil wird auf dem Schwarzmarkt für zu hohe Preise verkauft.

Ich traue mich sogar, einen Schritt weiter zu gehen: 

Täte das Welternährungsprogramm nichts, müssten sich die Politiker bemühen, Handelsbeziehungen zu Nachbarländern zu verstärken, um Nahrungsmittel dort einzukaufen. In kaum einem Land südlich der Sahara müsste tatsächlich gehungert werden, denn es sind reichlich Ressourcen vorhanden – und oftmals auch die finanziellen Mittel. Leider mangelt es an administrativen Fähigkeiten und dem eigenen Willen, dieses Geld profitabel einsetzen zu können.

- Katastrophenhilfe birgt das Risiko von Untransparenz

 

2. Finanzielle Entwicklungshilfe

Im 20. Jahrhundert wurde hauptsächlich auf finanzielle Entwicklungshilfe, z.B. in Form von Budgethilfe gesetzt. Das heißt, es wird eine enorme Menge Geld an die jeweilige afrikanische Regierung geschickt, die dieses dann in vorher abgesprochene Projekte investiert. Wird in dieses Projekt wirklich investiert? Oft nicht.

Das wohl berühmteste Beispiel fand im Tschad statt, in dem Geld für den Bau von Krankenhäusern bereitgestellt wurde. Lediglich 1-2 Prozent des Geldes wurde zweckmäßig für den Bau der Krankenhäuser verwendet, der Rest des Geldes ist spurlos verschwunden. Insgesamt hat der Westen Entwicklungsgelder von 800 Milliarden Euro an Afrika geleistet. Das Hauptproblem sind korrupte Eliten, die sich an den Entwicklungsgeldern bereicherten. So sind nach Ansicht des Unternehmensberaters Asfa-Wossen Asserate geschätzte 600 Milliarden Euro nicht in Entwicklungsprojekte geflossen, sondern in das Privatvermögen Einzelner.

Fazit: Der kleine Landwirt bekommt nichts, bzw. nur zu wenig ab. Würde die finanzielle Entwicklungshilfe abgeschafft werden, bekäme dieser nur wenig davon mit. Transparenz ist der Schlüssel.

- Finanzielle Hilfe erreicht nur unzureichend ihr Endziel und Erzeugt Abhängigkeit

 

3. Materielle Spenden 

Schon mal etwas von einem "Mikro-Makro-Paradoxon" gehört?

Zum Verständnis eine kleine Geschichte: Ich habe in Mzuzu eine Freundin, die eine Schneiderei betrieb und drei Angestellt hatte. Alles lief gut, es gab eine relativ hohe Nachfrage, und sie und ihre Angestellten kamen gut über die Runden. Bis es dann hieß, westliche Organisationen schicken erneut Materialspenden nach Mzuzu, die dort für Spottpreise verkauft werden, meistens in Läden wie "DAPP" (Development Aid from People to People). Richtig - gespendete T-Shirts werden verkauft und nicht geschenkt. Immerhin wird die Wirtschaft dadurch ein wenig angeregt. Die Folge: gegen die Spottpreise kam sie nicht an, musste Angestellte entlassen und ihre Produkte ebenfalls für Spottpreise verkaufen.

Dies beschreibt das Mikro-Makro-Paradoxon: Eine kurzfristig erfolgreiche Materialspende kann sich längerfristig neutral, oder in diesem Fall sogar negativ auf lokale Produzenten auswirken.

Anderes Beispiel: Afrikanische Landwirte tragen so gut wie nichts mehr zur lokalen Ökonomie bei, da die westlichen Länder den afrikanischen Markt mit hoch subventionierte Lebensmittel überschwemmen. Die europäischen Tomaten sind also günstiger als die lokal produzierten. Gegen diese günstigen Preise kommen die lokalen Produzenten nicht an - mit der Folge, dass sie sich in die Subsistenzwirtschaft zurückziehen.

Die Doppelmoral: Einerseits wird Entwicklungshilfe in Form von finanziellen Zuschüssen geleistet, andererseits wird ein längerfristig stabiles Wirtschaftswachstum durch die europäischen hochsubventionierten Produdukte verhindert. 

- Materialspenden können lokale Produzenten schwächen 

 

 

Entwicklungshilfe kann Abhängigkeit und politische Bequemlichkeit erzeugen

Die Länder unseres Nachbarkontinents haben sich mit wenigen Ausnahmen daran gewöhnt, dass für die Entwicklung das Ausland zuständig ist. Wenn wir Krankenhäuser, Schulen und Straßen bauen und Kinder impfen lassen, muss es ja die Regierung nicht machen. Sie kann ihr Geld stattdessen für Luxusgüter ausgeben (Funfact: 30 Prozent des afrikanischen Gesamtvermögens sind auf Schweizer Banken deponiert).

Die Entwicklung Afrikas muss aus dem Inneren kommen. Zwar kann mit Hilfe des Prinzips "Hilfe zur Selbsthilfe" eine stabile Grundlage geschaffen werden, das Problem von Korruptionskultur und Amtsmissbrauch können die Afrikaner aber nur selbst lösen. Wir können sie lediglich sinnvoll dabei unterstützen. Solange große Teile der Entwicklungshilfe weiter in die Taschen politischer Funktionäre verschwinden und kaum in das eigenen Land investiert wird und dadurch keine Arbeitsplätze geschaffen werden, befinden sich afrikanische Staaten in einem Hamsterrad. 

 

Wenn, dann muss Entwicklungshilfe zur Entwicklungszusammenarbeit werden

Die Devise unseres aktuellen Entwicklungsministers Gerd Müller lautet "Für eine gerechte Globalisierung". Einseitiges Geben muss aufhören und wirtschaftliche Kooperation sollte beginnen.

Statt einseitigem Geben - Wirtschaftliche Zusammenarbeit

Vielen afrikanischen Staaten fehlt es allerdings an geschultem Personal, welches das eigene Land selbstständig weiterentwickeln könnte. Wenn wir in Afrika die Straßen bauen, anstatt dortige Menschen auszubilden, um es selber zu tun, was passiert, wenn die Straßen in 30 Jahren gewartet werden müssen? Die Staaten sind immernoch abhängig von uns - dieses Phänomen nennt sich Neokolonialismus. 

Afrika mag kolonial unabhängig sein, aber es ist sicher nicht unabhängig von unserer Hilfe. Dies muss es aber werden, wenn es sich nachhaltig entwickeln soll. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan, immerhin sind ca. 40% des malawischen Finanzhaushaltes momentan Spendengelder westlicher Nationen. Diese abrupt abzustellen, wäre ein ökonomisches Desaster. Ein radikales Beispiel stellt Dänemark dar: Es hat aufgrund der malawischen Intransparenz und Korruption mittlerweile Konsequenzen gezogen und jegliche finanzielle Hilfe abgeschafft und sogar seine Botschaft geschlossen. 

 

Der kenianische Wirtschaftswissenschaftler James Shikwati hat sich einmal folgendermaßen geäußert:

„Kein afrikanischer Bürger würde einen korrupten Politiker unterhalten, wenn er selbst dafür bezahlen muss. Wenn ein Dieb in Nairobi vom Mob erwischt wird, bevor die Polizei kommt, kann er tot sein. Die Menschenmenge nimmt den Diebstahl persönlichen Eigentums nicht hin.

Vergleichen Sie da mit den großen Korruptionsskandalen in diesem Land, in denen Politiker Millionen Dollar beiseite geschafft haben.

Wie viele Menschen steinigen Politiker oder regen sich über Korruption auf? Niemand, weil es nicht ihr Geld ist.“

Nehmer- und Geberländer halten wider besseren Wissens an dem Glaubenssatz fest, dass mehr finanzielle Hilfe eine Entwicklung beschleunigt und weniger Armut nach sich zieht. Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig von diesem Glaubenssatz distanzieren und euch neue Sichtweisen ermöglichen. Empathie und Hilfsbereitschaft sind per se nichts schlechtes, jedoch sollte man immer das Gesamtziel im Auge behalten.

Horst Köhler sagte einst "Kein Volk der Welt darf auf Dauer zum Hilfsempfänger herabgewürdigt werden". 

 

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

 

Quellen und Referenzen:

Entwicklungshilfe - Ein Marshall-Plan löst Afrikas Probleme nicht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. faz.net. 29. Januar 2017. Abgerufen am 4. Februar 2017.

Seitz, Volker (2014): Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann. Deutscher Tb Verlag.

Asserate, Asfa-Wossen (2018): Die neue Völkerwanderung. Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten. Ullstein Buchverlage GmbH. 

Meredith, Martin (2011): The state of africa. A history of fifty years of indipendence. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklungszusammenarbeit#Beispiel_Afrika

https://www.mycomics.de/comic-pages/3444-ostafrika-hilfe.html#page/1/mode/1up

https://dochasnetwork.wordpress.com/2012/04/10/using-cartoons-to-communicate-development/#jp-carousel-2356

http://docplayer.org/54227902-Eine-welt-ungleiche-welt-hdi.html


Über mich

Hallo, ich bin Max Lachnicht!

Ich komme aus Gronau-Epe, nahe Münster in Westfalen und bin neunzehn Jahre alt.

Momentan mache ich mein Abitur am Canisiusstift in Ahaus und werde ab September im Rahmen des Kolpingwerk Deutschlands ein freiwilliges soziales Jahr in Malawi machen!

Wieso ich das mache?